Vitamin A - Wirkungen und Funktionen
Vitamin A ist ein lebensnotwendiges und fettlösliches Vitamin. Unter der Sammelbezeichnung Vitamin A werden verschiedene Verbindungen zusammengefasst. Zu den Verbindungen gehören:
- Retinol
- Retinal
- Retinsäure
- Retinylester (wie Retinylpalmitat, Hauptspeicherform von Vitamin A in der Leber)
Retinol, Retinal und Retinsäure sind die im Körper aktiven Formen, die die biologischen Wirkungen und Funktionen ausmachen.
Vitamin A wird im Duodenum (Zwölffingerdarm, oberer Dünndarmabschnitt) absorbiert, von dem es zur Leber transportiert wird 1. Von dort ausgehend wird es dann in die Körperzellen befördert. In der Leber sind etwa 80 bis 90% des im Körper befindlichen Vitamin A gespeichert (min. 10 μg/g bis max. 1.400 μg/g Leber) 2 3. Daneben sind Carotinoid-Reserven im Fettgewebe des Körpers verteilt 4.
In reiner Form sind Vitamin A gelbe Kristalle oder orange Flüssigkeiten 5. Gegenüber Licht und Sauerstoff sowie bei Raumtemperatur reagiert Vitamin A (Retinol) empfindlich 6 7. Lebensmittel mit Vitamin A sollten in dieser Hinsicht also kühl und dunkel aufbewahrt werden. Durch das Kochen oder Einwecken Vitamin-A-haltiger Lebensmittel wird Vitamin A größtenteils zerstört 8 9. Es bleiben nach dem Kochen von Gemüse lediglich 33 % des ursprünglichen Vitamin-A-Anteils erhalten 10.
Funktionen und Wirkungen
Vitamin A wird zur Bildung des Proteins Rhodopsin, das aus der Bindung zwischen Retinal und dem Protein Opsin hervorgeht, herangezogen 11. Rhodopsin ist ein Sehpigment der Netzhaut, das in die Zapfen und Stäbchen der Netzhaut eingebaut wird. Es absorbiert das Licht in den retinalen Rezeptoren und ist für die Hell-Dunkel-Adaptation erforderlich, wodurch dem Auge ein Anpassen an unterschiedliche Lichtverhältnisse ermöglicht wird. Rhodopsin wird nach der Lichtabsorption in einem Kreislauf ständig regeneriert 12. Vitamin A ermöglicht also die normale Sehkraft.
Retinsäure reguliert die Genexpression (Bildung eines Genproduktes) von über 500 Genen, die unter anderem die genetischen Informationen von Strukturproteinen (wie Keratin), Enzymen (Alkoholdehydrogenase), der extrazellulären Matrix (Laminin) sowie Retinol-Bindungsproteinen und Rezeptoren übersetzen 13 14.
Im Körper ist Vitamin A auch an der Zellteilung, dem Zellwachstum und dem Wachstum von Knochen und Zähnen, also zusammenfassend an der Entwicklung und dem Erhalt des Körpergewebes (u. a. Haut), beteiligt 15 16 17 18 19.
Bei der Fortpflanzung ist Vitamin A ebenfalls mit involviert. Hier wird es für die Bildung von Sperma (Spermatogenese) benötigt 20. In Form von Retinsäure spielt Vitamin A eine Rolle bei der embryonalen Entwicklung - insbesondere bei der Entwicklung des Rückenmarks und der Wirbel, Gliedmaßen, Herz, Lunge, Augen und Ohren 21. Daneben unterstützt Vitamin A auch die Entwicklung der Plazenta während der Schwangerschaft 22 23 24.
Vitamin A ist an der Entwicklung und dem Erhalt des epithelialen Gewebes beteiligt 25. Das Epithelgewebe sind geschlossene Zellverbände, die entweder innere (wie Schleimhäute) und äußere Körperoberflächen bedecken und schützen (Deckepithel), Sekrete produzieren und abgeben (Drüsenepithel) oder Reize übertragen (Sinnesepithel). Aus diesem Grund wird Vitamin A auch bei der Behandlung von Hauterkrankungen eingesetzt 26.
Daneben ist Vitamin A auch am Erhalt der Funktionsfähigkeit des Immunsystems (T-Lymphozyten und Phagozytose) beteiligt 27 28. Zudem stimuliert Vitamin A die Bildung von weißen Blutkörperchen (Leukozyten), die bei der Abwehr von Krankheitserregern eine wichtige Rolle spielen 29.
Antioxidative Wirkungen
Retinoide (verwandt mit Vitamin A) und Carotinoide wie beta-Carotin sind gute Antioxidantien 30 31. Antioxidantien schützen den Körper vor freien Radikalen, die Zellschäden verursachen und somit für eine Reihe von Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurodegenerative Erkrankungen verantwortlich sind 32. Vitamin A an sich ist kein Antioxidans 33.
Vorbeugende Wirkungen
Vitamin A beugt dem Austrocknen der Haut vor, wodurch sie vor Infektionskrankheiten geschützt wird 34.
Ergebnisse einer Studienzusammenfassung von 2014 legen nahe, dass größere Aufnahmemengen von Vitamin A und beta-Carotin das Risiko von Katarakten (Linsentrübung) verringern könnten 35.
Vitamin A gegen Krebs
Möglicherweise können höhere Aufnahmemengen von beta-Carotin und Vitamin A über die tägliche Nahrungszufuhr das Risiko von Lungenkrebs und Magenkrebs reduzieren 36 37. Die Ergebnisse einer Studienzusammenfassung von 2015 belegen, dass höhere Vitamin-A-Aufnahmemengen das Magenkrebs-Risiko signifikant vermindern 38. Im Vergleich zu den niedrigsten Aufnahmemengen war das Magenkrebs-Risiko um 34 % geringer.
Auch das Risiko von Melanomen (Hautkrebs) wird mit höheren Aufnahmemengen von Vitamin A (-14 %), Retinol (-20 %) und beta-Carotin (-13 %) im Vergleich zu geringeren Aufnahmemengen verringert 39.
Ein höherer Vitamin-A-Konsum wird zudem mit der Verringerung von Blasenkrebs (-18 %) assoziiert 40.
Carotinoide werden in Vitamin A umgewandelt
In Lebensmitteln kommen Carotinoide als sekundäre Pflanzenstoffe vor. Carotinoide sind Pigmente, die den Lebensmitteln eine gelbe bis rötliche Farbe geben. Bekanntestes Carotinoid ist beta-Carotin. Bestes Beispiel mit einem hohen Anteil an beta-Carotin sind hier die orangenen Karotten, dessen Name von Carotin abgeleitet wird - zu den Lebensmitteln mit beta-Carotin. Carotinoide sind Vorstufen von Vitamin A. Sie werden daher als Provitamin A bezeichnet. So wird beispielsweise beta-Carotin mittels zweier Enzyme (beta-Carotin-15,15‘-Monooxygenase und beta-Carotin-15,15′-Dioxygenase) in den absorbierenden Darmzellen in zwei Retinal-Moleküle umgewandelt 41 42.
Vom Körper können etwa 50 verschiedene Carotinoide in Vitamin A umgewandelt werden 43. Dazu gehören auch alpha-Carotin und beta-Cryptoxanthin, bei denen die Wissenschaftler laut neueren Erkenntnissen von einer höheren Bioverfügbarkeit ausgehen als bei beta-Carotin 44. Der Begriff Bioverfügbarkeit drückt aus, wie viel von einem aufgenommenen Nährstoff (hier Carotinoide) vom Körper unter normalen Bedingungen für den Stoffwechsel oder die Speicherung verwendet werden kann. Lycopin, Lutein und Zeaxanthin besitzen allerdings keine Vitamin-A-Aktivität und werden daher als nicht-Provitamin A Carotinoide bezeichnet 45.
Für die Wissenschaftler ist es eine Herausforderung, die genauen Umwandlungsraten zu bestimmen und das neu gebildete Retinol von den körpereigenen Reserven zu unterscheiden 46. In diesem Zusammenhang wird auch von Retinol-Äquivalenten gesprochen, da Carotinoide eine geringere Vitamin-A-Aktivität im Körper haben als reines Vitamin A (Retinol). Die Äquivalente dienen dazu, den Vitamin-A-Anteil der Lebensmittel und der täglichen Bedarfsmenge unter Berücksichtigung der Umwandlungsraten der verschiedenen Carotinoide zu berechnen bzw. zu vereinheitlichen. Aus diesem Grund wird der Vitamin-A-Gehalt von Lebensmitteln auch mit oft als Retinol-Äquivalenten (RÄ) angegeben.
Aktuell festgelegte Umwandlungsraten, die sich noch ändern können, wenn es neuere Daten gibt 47 48 49 50 51 52:
verzehrte Menge | im Körper erhaltene Menge an Retinol | RÄ-Verhältnis |
---|---|---|
1 mg Retinol | 1 mg | 1:1 |
2 mg β-Carotin (Nahrungsergänzung) | 1 mg | 2:1 |
12 mg beta-Carotin (aus der Nahrung) | 1 mg | 12:1 |
alpha-Carotin oder beta-Cryptoxanthin (aus der Nahrung) | 1 mg | 24:1 |
1,15 mg all-trans-Retinylacetat (Nahrungsergänzung) | 1 mg | 1,15:1 |
1,83 mg all-trans-Retinylpalmitat (Nahrungsergänzung) | 1 mg | 1,83;1 |
3,33 IE Retinol | 1 µg | 3,33:1 |
1 IE Retinol | 0,333 µg | 3,33:1 |
1 IE beta-Carotin (aus der Nahrung) | 0,05 μg | 20:1 |
1 IE beta-Carotin (Nahrungsergänzung) | 0,15 μg | 6,66:1 |
1 IE alpha-Carotin oder β-Cryptoxanthin (aus der Nahrung) | 0,025 μg | 40:1 |
Damit im Körper 1 µg Retinol gebildet werden kann, werden also etwa 12 µg beta-Carotin oder 24 µg von anderen Carotinoiden benötigt. Allerdings schwankt die Umwandlungseffizienz von beta-Carotin in Retinol abhängig vom Körpergewicht zwischen 3,6:1 bis 28:1 53 54. Laut einer vietnamesischen Studie mit stillenden Frauen liegen die Umwandlungsraten für beta-Carotin bei grünem Gemüse bei 26:1 und bei orangefarbenen Früchten bei 12:1 55. Da sich die Werte erheblich unterscheiden, sind diesbezüglich weitere Untersuchungen erforderlich (RÄ-Verhältnis kann sich ändern).
Daneben gibt es Hinweise darauf, dass Menschen mit mehr Körperfett eine geringere Fähigkeit besitzen, beta-Carotin in Vitamin A umzuwandeln 56.
Absorption von Vitamin A und Carotinoiden verbessern
Retinol wird sehr effektiv vom Körper aufgenommen. Die Absorptionsrate liegt zwischen 75 und 100% 57. Bei beta-Carotin schwankt die Absorptionseffizienz im Bereich von 3% bis 90% - meist jedoch im Bereich von 11,9 bis 16% 58 59 60 61 62 63 64. Höhere Absorptionsraten werden nur mit Nahrungsergänzungen zusammen mit Öl erreicht.
Da Vitamin A ein fettlösliches Vitamin ist, wird es zusammen mit Fett im Darm aufgenommen. Höhere Absorptionsraten werden daher nur mit dem gleichzeitigen Verzehr von Fetten erreicht.
Im Übrigen kann auch die Absorption von Carotinoiden aus Gemüse verbessert werden. Dazu die entsprechenden carotinoidreichen Lebensmittel kochen oder homogenisieren und zusammen mit Fetten servieren 65 66 67. Daneben kann mit Fett oder einer kleineren Menge Öl wie Rapsöl oder Olivenöl das beta-Carotin leichter vom Körper aufgenommen werden, wodurch die Vitamin-A-Werte im Serum auch ansteigen 68 69 70. Beta-Carotin kann zusammen mit Öl doppelt so gut absorbiert werden als ohne 71.
Wissenschaftler, die sich mit der absorptionsverbessernden Wirkung auseinandergesetzt haben, zeigen, dass der Verzehr von Provitamin-A-Carotinoiden mit der fettreichen Avocado die Carotinoid-Absorption bei gesunden Menschen verbessert 72. Zudem führte der gleichzeitige Verzehr von Avocado mit beta-Carotin-reicher Tomatensauce und Karotten zu einer 4,6-fach und 12,6-fach höheren Umwandlungseffizienz von beta-Carotin in Vitamin A. Die Vitamin-A-Werte im Blut stiegen mit dem Konsum von Avocados stärker an als bei Teilnehmern ohne.
Auch bei der Absorption von Carotinoiden aus einem Salat, bestehend aus Spinat, Römersalat, Kirschtomaten und Karotten, hilft Fett entscheidend mit 73. Mit einem fettfreien Dressing konnte keine Carotinoid-Absorption beobachtet werden. Mit steigendem Fettanteil des Dressings stiegen auch die Absorptionsraten an.
Carotinoide in gelben, orangenen und roten Pflanzen bzw. Pflanzenprodukten liegen in kristalliner und in Form von Lipoproteinen (Fett-Protein-Komplexe) vor, wodurch die Bioverfügbarkeit automatisch höher ausfällt 74 75. Carotinoide in grünem Blattgemüse befinden sich in den Chloroplasten und sind an Pigment-Protein-Komplexe gebunden, wodurch die Bioverfügbarkeit gering ist 76.
Daneben verbessern sogar milde Zubereitungstechniken wie das Kochen auf niedrigere Hitze, kurzes Kochen, Einweichen und Kleinhacken die Bioverfügbarkeit mit nur einem minimalen Carotinoid-Verlust 77. Andere Zubereitungsmethoden wie längeres Kochen bei hoher Hitze, Braten und Frittieren führen hingegen zu einem hohen Verlust an Carotinoiden 78 79 80.
Je mehr beta-Carotin über die Nahrung aufgenommen wird, desto geringer fällt die Effizienz aus, mit der der Körper es in Vitamin A umwandeln kann 81.
Absorptionshemmende Faktoren
Neben den vielen gesunden Wirkungen von Ballaststoffen wird die Absorption von Carotinoiden durch Ballaststoffe wie Pektin, Lignan und Cellulose gehemmt 82 83 84.
Was Veganer zu beachten haben
Studienergebnisse zu den Aufnahmemengen von Vitamin A bei Veganern sind schwer zu vergleichen, da nicht ersichtlich wird, wie sich der Vitamin-A-Wert zusammensetzt. Manche Ergebnisse belegen für Veganer höhere Aufnahmemengen von Retinol (vermutlich durch eine carotinoidreiche Ernährung) 85. Andere Ergebnisse zeigen genau das Gegenteil. So weisen laut einer großen englischen Studie mit über 65.000 Teilnehmern Veganer (Männer: 74,2 µg, Frauen 76,6 µg) im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung die geringsten täglichen Aufnahmemengen von Retinol auf 86. Auch weitere Studien "offenbaren", dass Veganer geringere Aufnahmemengen von Vitamin A aufweisen als die durchschnittliche Bevölkerung 87 88. Das ist allerdings auch nicht verwunderlich, da Retinol in natürlicher Form nicht in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommt. Möglich sind Nahrungsergänzungen mit Vitamin A z.B. in Multivitaminsäften. Laut einer dänischen Studie konsumierten Veganer allerdings fast doppelt so viel beta-Carotin wie die durchschnittliche Bevölkerung 89. Nichtsdestotrotz erreichte hier die Hälfte der Veganer, die Vitamin-A-Zufuhrempfehlungen sowohl über die Ernährung als auch Nahrungsergänzungsmitteln nicht.
Auch wenn die Aufnahmemengen von Retinol im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung entsprechend gering sind, wird die Krankheitshäufigkeit bedingt durch eine Unterversorgung mit Vitamin A als gering eingeschätzt 90.
Vor allem während der Schwangerschaft und des Stillens sollte auf eine ausreichende Versorgung des Körpers mit Carotinoiden insb. beta-Carotin geachtet werden (Lebensmittel mit beta-Carotin) 91.
Pflanzliche Lebensmittel mit vorgefertigtem Vitamin A gibt es nicht. Nichtsdestotrotz kann der Körper Vitamin A wie bereits weiter oben erwähnt aus etwa 50 Carotinoiden selbst bilden. Für Veganer ist daher das Provitamin A beta-Carotin, eine Vorstufe von Vitamin A, von großer Bedeutung. Es ist die wichtigste Quelle für Veganer, um auf natürlichem Wege an genug Vitamin A zu kommen. So lässt sich mit einer veganen Ernährung der Tagesbedarf an Vitamin A durch den Verzehr von sehr farbigem Obst und Gemüse decken 92. Neben einer carotinoidreichen Ernährung sollten auch die in diesem Artikel beschriebenen absorptionsverbessernden Faktoren von Carotinoiden berücksichtigt werden. Zu den Lebensmitteln mit Vitamin A (Retinol-Äquivalente) geht es hier.